12
Apr
2015
Kate Winslet

Sind Briten die besseren Schauspieler?

Hollywood liebt Großbritanniens Schauspieltalente! Selbst ihre größten Helden besetzt die Traumfabrik immer wieder mit Stars aus Übersee. Superman Henry Cavill kommt aus Jersey von den Kanalinseln. Der letzte Batman Christian Bale ist Waliser, der diesjährige Oscar-Gewinner Eddie Redmayne ein waschechter Londoner… Immer mehr Briten spielen in Hollywood die erste Geige, während L.A. vor kellnernden Schauspielern überquillt. Nur warum ist das so?

Eddie Redmayne als Stephen Hawking

Oscar-Gewinner Eddie Redmayne als Stephen Hawking © Universal Pictures

In ihrem neuen Film DIE GÄRTNERIN VON VERSAILLES spielt die britische Oscar-Preisträgerin Kate Winslet Sabine De Barra, eine französische Landschaftsarchitektin, die an den Hof des Sonnenkönigs gerufen wird. Sie soll ein Barockgärtchen für sein neues Lieblingsprojekt Versailles gestalten. Und wen entdecken wir da unter der Perücke von Ludwig XIV.? Alan Rickman! Also quasi die fleischgewordenen Quintessenz britischer Schauspielkunst.

Alan Rickman in DIE GÄRTNERIN VON VERSAILLES

Alan Rickman als Ludwig XIV. in DIE GÄRTNERIN VON VERSAILLES

Daran ist zunächst nichts Ungewöhnliches, schließlich bringt man in Frankreich oder andernorts ja auch Shakespeare zur Aufführung. Und gehört es nicht zur Schauspielerei, in andere Rollen zu schlüpfen, egal ob die Geschichten in der Vergangenheit, der Zukunft oder auf anderen Planeten spielen? Ungewöhnlich aber ist, wie präsent die britische Schauspielelite seit einigen Jahren wieder vermehrt auf die Leinwände drängt.

Fünf Gründe, warum so viele britische Schauspieler ihre amerikanischen Kollegen im Casting ausstechen…
1) Die Globalisierung

Anders als wir wachsen die Briten natürlich mit amerikanischen Serien und Spielfilmen im Originalton auf. Schon als Kinder lernen sie spielerisch, amerikanische Dialekte nachzumachen. So gelingt es britischen Darstellern oft, einem amerikanischen Publikum überzeugend lupenreine Amerikaner vorzugaukeln. Wie etwa Emma Watson, die für ihre Rolle in Sofia Coppolas THE BLING RING besonders für ihren kalifornischen Valley Girl Accent gelobt wurde – hier zum Reinhören im Original…

Umgekehrt schaffen es nur wenige britische Serien oder Filme ins US-amerikanische Fernsehen oder auf die Leinwände. Amerikanische Schauspieler scheitern oft daran, für das offenbar sehr feinsinnige (vielleicht auch überkritische) britische Ohr den richtigen Ton zu treffen. Als die New Yorkerin Anne Hathaway für ZWEI AN EINEM TAG in der Hauptrolle als Emma besetzt wurde, gab es dafür viel Schelte im Mutterland des Romans von David Nicholls. Wir finden, Sie passt trotzdem perfekt auf die Rolle und in der deutschen Synchro stört auch der vermeintlich falsche Dialekt nicht mehr 😉

Anne Hathaway in ZWEI AN EINEM TAG

Anne Hathaway als Emma in ZWEI AN EINEM TAG

2) Eine Kostenfrage

Laut Casting-Direktorin Lucinda Syson waren britische Darsteller über viele Jahre hinweg einfach günstiger als ihre amerikanischen Kollegen. Daran dürfte sich in den letzten Jahren einiges geändert haben. Zumal sich viele Schauspieler, die es in Hollywood schaffen wollen, auch einen der namhaften Hollywood-Agenten leisten. Und die wissen schon allein wegen ihrer in der Regel saftigen prozentualen Beteiligungen das höchstmögliche Salär für ihre Schützlinge heraus zu holen. Dennoch: unter den absoluten Spitzenverdienern in Hollywood finden sich aktuell keine Briten. Nicht weinen, Benedict…

benedict weint

Benedict Cumberbatch als Little Charles Aiken in IM AUGUST IN OSAGE COUNTY

3) Großes Theater

Die britischen Schauspielschulen gehören zu den besten der Welt und werden noch immer stark vom Theater beeinflusst. Wer in Großbritannien Schauspieler werden möchte, hat gar keine andere Wahl, als sich im Theater seine Sporen zu verdienen. Auf der Bühne zu stehen, kann furchteinflößend sein. Aber Shakespeare ist auch ein gutes Training und…

Jede Nacht vor einem Live-Publikum zu spielen, schafft Muskeln an allen richtigen Stellen.

Lucinda Syson hat beobachtet, dass es dadurch weniger Star-Allüren gäbe. Selbst Darsteller, die schon in mehreren Blockbustern mitgespielt haben, würden im Theater gleichberechtigt neben den Newcomern agieren.

Briten im Theater

Tom Hiddleston als Cassio und Oscar-Preisträger Chiwetel Ejiofor als Othello © Donmar Warehouse 2007

Briten im Theater

Chiwetel Ejiofor als Othello und Ewan McGregor als Lago © Donmar Warehouse 2007

Großes Theater gehört für die Briten also eher vor die Kamera als dahinter. Davon können wir uns ab 30. April auch wieder selbst ein Bild machen, wenn die Briten den französischen Hof infiltrieren – zumindest schauspielerisch. Spielzeiten und Tickets für DIE GÄRTNERIN VON VERSAILLES finden Sie hier. Darunter geht es weiter mit unserem Artikel…

 

4) Jede Menge Exotik

Nennen wir es beim Namen: Briten sind seltsam und stolz darauf. Die Eigenheiten der britischen Kultur lassen uns nicht nur hierzulande verwundert, aber nicht ohne Bewunderung die Hipster-Bärte zwirbeln. Auch in der ehemaligen Kolonie ist der gemeine Tea Party-Gegner befremdet und gleichzeitig fasziniert von den wilden Dialekten und skurrilen Modeerscheinungen aus Übersee. Britische Schauspieler benehmen sich anders, sprechen anders und trotzdem gibt es viele popkulturelle Nahtstellen zwischen Union Jack und Stars & Stripes, die als Smalltalk-Themen vortrefflich zu Häppchen und Schampus beim nächsten Hollywood-Dinner passen dürften.

Colin Firth

Gibt jeder Konversation einen britischen Touch: Colin Firth ;-)

Noch mehr Exotik findet man im Herzen des Commonwealth, wohin die Talentsucher aus den Hollywood-Hills immer öfter vordringen, um sich an englischen Theatern und Schauspielschulen umzusehen. Viele verfallen selbst ein wenig den englischen Manierismen, dem Hunger nach einer prägnanten Kultur, die sich im Melting Pot USA längst verwachsen hat. Dass dies einen gewissen Reiz ausübt, kann man gut nachvollziehen.

5) Die selbsterfüllende Prophezeiung

Und last but not least… Wenn amerikanische Schauspielagenten von einem Brit-Boom sprechen, richten sie ihren Blick somit schon automatisch nach Übersee. Das Risiko, Talente direkt vor der eigenen Nase zu übersehen, steigt. Zudem die Kirschen in Nachbars Garten noch immer süßer schmecken als die eigenen.

In dieser kleinen Polemik finden sich ohne Frage viele Klischees, aber sicher auch ein Fünkchen Wahrheit. Wir freuen uns jedenfalls darauf, auch künftig viele britische Schauspieler in großen Hollywood-Rollen zu sehen. Solange dieser Trend anhält, frönen wir noch ein bisschen der Illusion, Großbritanniens Talente könnten irgendwann Hollywood übernehmen. So wie in dieser Clip-Serie von Vanity Fair…

Ganz nach unserem Gusto und bald auf der großen Leinwand zu sehen: Die Crème de la Crème der britischen Schauspieler Kate Winslet und Alan Rickman in DIE GÄRTNERIN VON VERSAILLES – jetzt im Kino! Hier geht’s zum Trailer.

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